Gaia Fantasia
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 Karibisches Meer

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Karibisches Meer - Seite 4 Empty
BeitragThema: Re: Karibisches Meer   Karibisches Meer - Seite 4 EmptySa Jun 01, 2013 2:14 am

Debbie
tbc aus: Hispaniola - Nordküste -> Karibisches Meer

Weder der Navigator noch der Captain hatten damit gerechnet, dass die Ausläufer des Sturms im Norden die Verheißung noch einmal so hart treffen würden. Sie hatten gewusst, dass es ordentlich auffrischen und dass sie mit etwas Glück sogar schneller in Tortuga sein würden, als gedacht. Dennoch kamen die heftigen Böen auch für sie etwas überraschend.
Doch beide wussten, dass kein Sturm wirklich gefährlich war, solange Arteilan dies nicht zu verstehen gab. Der Steuermann hatte ein außergewöhnlich feines Gefühl für Wetterumschwünge. Manche sagten, er habe sogar die peruanischen Andenstürme im Blut und könne sie bis in die Karibik riechen.
So hatten sie also die Kraft des Sturm für sich genutzt und volle Fahrt gemacht, so sehr sich Noah auch darüber ärgern mochte, da in seiner gerade frisch bestückten Kombüse alles drunter und drüber ging.
Einige Männer hatten den Sturm für zu heftig empfunden und eigenmächtig die Segel eingeholt. Keiner der Ranghöheren waren jedoch bereit sich dazu zu entschließen, diese Aktion mit Folgen zu versehen. Nicht einmal Juanito. Alle wussten, dass es von unschätzbarem Wert für eine Schiffsmannschaft war, auch eigenständig denkende Seemänner an Bord zu haben, die mit ihrer Vernunft entschieden.
In der Tat war es sogar eine weise Entscheidung gewesen, denn sie hatten genau das Segel am Hauptmast eingeholt, welches dringend ausgebessert werden musste. Möglicherweise hätte es im Sturm ernsthafte Schäden davon getragen und Captain Dracan eine ordentliche Stange Geld gekostet.
So wurden die mutigen Männer, welche mitten im Sturm den Hauptmast erklommen hatten, mit einem wertschätzenden Blick des Captains bedacht, was eine überaus große Geste war.

Bill Vanes Verschwinden wurde erst am nächsten Morgen bemerkt, als eine frische Brise vom offenen Meer die Verheißung rasch in Richtung ihres Ziels trieb.
Dies lag auch keineswegs an der Tatsache, dass irgendjemand aus der Schicht, in welche man ihn für die Dauer seines Aufenthalts auf dem Piratenschiff eingeteilt hatte, sein Fehlen bemerkte, sondern daran, dass Noah seine Hinterlassenschaft in seiner Kombüse fand.
Eigentlich wäre es seine Aufgabe gewesen, mit diesem Zettel zu Juanito zu gehen, welcher als Quartiermeister ja zuständig für die Crew war. Doch da Noah selbst des Lesens mächtig war, hatte er schon vor einiger Zeit bemerkt, dass Juanito eben dies nicht war. Um ihn nicht mit einem bekrakeltem Wisch zu provozieren, suchte er lieber gleich den Captain auf, welcher sich soeben bei Arteilan auf dem Achterkastell aufhielt und die Arbeit der Crew überwachte.
"Wie darf ich das verstehen?", fragte Lhea und hob die Augenbrauen, während sie die kurze Notiz ein weitere Mal las. Es hatte sich nicht geändert, was dort stand und es ergab auch beim zweiten Lesen nicht mehr Sinn.
Auch Noah machte nur ein ratloses Gesicht. Er konnte es sich nicht erklären. Und er sah deutlich, ebenso wie Arteilan, der die Situation schweigend beobachtet und sich aus der Reaktion des Captains erschloss, worum es überhaupt ging, dass Lhea Dracan langsam wütend wurde. Im Gegensatz zu Noah konnte sich Arteilan jedoch genau denken warum.
"William Vane!", brüllte der Captain übers Deck. Einige Piraten sahen überrascht von ihrer Arbeit auf. Aus der Takelage kam eine Möwe geflogen und ließ sich auf der nahegelegenen Reling nieder, um zu erfahren, was Sache war.
Als keine weitere Reaktion aus der Crew kam, fuhr Lhea zu der Möwe herum. "Ich verlange, dass William Vane unverzüglich an Deck kommt", wies sie den Mann an, der nur einen Augenblick später an der Stelle stand, salutierte und dann unter Deck verstand.
Kochend vor Wut stützte sie sich auf der Reling auf und starrte auf die Gischt, die vom Bug ihres Schiffs aufgewirbelt wurde. Und wenn sie mit ihrem Gefühl Recht gehabt hatte? Irgendwas ging hier ganz und gar nicht mit rechten Dingen zu. Piraten verschwanden und tauchten nur selten wieder auf, merkwürdige Ware wurde mit den großen Schatzschiffen transportiert und noch merkwürdigere Gestalten bevölkerten die Kajüten der großen Seefahrer.
Vermutlich wurde es tatsächlich mal Zeit, Joe Dafoe wieder einen Besuch abzustatten und herauszufinden, was Sache war.
Mit der nackten Faust schlug Lhea auf die Reling, als ihr in diesem Moment auch der Gedanke an Captain Kiddy und die Schamanin Ebony kamen.
Es gab viel zu tun für sie.

"Er ist nicht aufzufinden, Capt'n, Sir!"
Mit zusammengebissenen Zähnen nickte der Captain. Sie hatte es sich schon gedacht. Irgendjemand spielte hier verdammt falsch. Und sie würde rausfinden, wer es war.

Gleichermaßen wie sich das Wetter in den nächsten Tagen wieder verbesserte, verschlechterte sich die Laune des Captains.
Die Männer waren euphorisch, denn sie wussten, dass es nur noch wenige Schichtwechsel bis zur Ankunft in Tortuga waren. Dass ihnen dort Rum, Frauen und Glücksspiele in Hülle und Fülle bevorstanden. Oder einfach nur einige Nächte bei ihren Familien. Obwohl die wenigsten Angehörige auf einer Pirateninsel hatten. Das war viel zu gefährlich. In den letzten zwei Jahren war Tortuga zweimal von der éspanischen Marine angegriffen und dem Erdboden gleichgemacht worden.
Port Nassau auf New Providence war der bedeutend sicherere Piratenhafen, denn dort waren die Gewässer zu flach für die schweren Galeonen der Marine. Doch dieser Hafen war weitaus weniger zentral gelegen als Tortuga und deswegen erblühte gerade dieses Piratenloch immer wieder von neuem.
Während die Männer also der Ankunft entgegenfieberten, zog sich der Captain immer mehr in seine Kajüte zurück und grübelte über Karten und Logbüchern. Sie konnte sich auch aus den Aufzeichnungen der Hermana Santa, der Padma und der Balcea die aktuellen Geschehnisse nicht erklären. Die Estrella Blanca war bei ihrem Seegefecht versenkt worden, doch sie ging nicht davon aus, dass ihre Logbücher ihr mehr Erkenntnisse erbracht hätten.
Nichts wies darauf hin, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging. Und dennoch wusste sie es ganz genau. Die Zeiten änderten sich und ein frischerer Wind begann in der Karibik zu wehen. Frischer und rauher.

"Samuel Lamignon!"
Er hatte es die ganze Zeit gewusst. Seit Tagen saß dem Schiffsjungen die Angst im Nacken, denn er wusste, was ihm bevorstand. Er wusste, dass er es verdient hatte und dass seine Feigheit während des Kampfes eigentlich sofort mit dem Tod bestraft hätte werden müssen. Dennoch wollte er noch nicht sterben.
Sammy hatte sich sehr angestrengt in den letzten Tagen. Er wollte nicht auffallen. Er verrichtete seine Arbeit noch gewissenhafter als sonst, war aber dennoch bemüht, dass niemand von ihm sprach. Nicht einmal ein Lob wollte er hören.
Am liebsten wollte er, dass der Captain ihn und sein Vergehen einfach vergaß. Dabei wusste er genau, dass Captain Dracan das niemals tun würde. Sein Capt'n vergaß nicht.
Mit hängendem Kopf schritt er zum Achterkastell.
Das Wetter war schön, die See ruhig. Kaum eine Wolke versteckte das strahlende Blau des Karibikhimmels und das Salz, welche die leichte Brise herantrug, war seine Luft zum Atmen. Er wollte nicht sterben. Er hatte noch nicht einmal das Mannesalter erreicht. Und dennoch schon einen tödlichen Fehler begannen.
Der Captain stand auf den Stufen, die zum Achterkastell heraufführten. Um ihn herum war ein Großteil der Crew versammelt. Nur Moses und Arteilan verrichteten nachwievor ihre Arbeit und einige Männer saßen in den Takelagen, spähten jedoch trotzdem herunter.
Niemand hatte erfahren, was Samuel Lamignon bevorstand. Bis zum heutigen Tage. Man würde ihn kielholen. Dafür, dass er seine Kameraden im Kampf im Stich gelassen hatte. Dass er lieber sich selbst in Sicherheit gebracht hatte, anstatt sie mit Waffen zu versorgen, damit sie nicht plötzlich ohne dastanden.
Er hatte es nicht anders verdient.
Niemand sah ihn auch nur freundlich an. Nur in den Augen des Schiffskoch lag Mitleid. Die Miende des Captains war versteinert. Unter Juanitos sorgfältig gestutztem Ziegenbart verbarg sich ein schmallippiges Grinsen. Sein Onkel war nicht anwesend. Soweit er wusste, wurde er unter Deck festgehalten und Squinter hatte auferlegt bekommen, sich um ihn zu kümmern.
Sammy war froh, dass er ihm diesen Anblick ersparen konnte.
Als Captain Dracan den Mund zum Sprechen öffnete, hielt er den Atem an und kniff die Augen zusammen, als würde ihn schon jetzt die schweren Taue unterm Schiffsrumpf hindurchziehen.
"Samuel Jonathan Lamignon, Schiffsjunge der Verheißung", hallte die vom Wind rau geschmirgelte Stimme des Captains über Deck, "du bist angeklagt, den mit dir geschlossenen Piratenvertrag dieses Schiffes im Kampf gebrochen zu haben. Entgegen deiner Aufgaben hast du deine Kameraden im Stich gelassen und ihr Leben damit gefährdet. Dafür wirst du kielgeholt werden und das Meer wird über dein Leben und deinen Tod entscheiden."
Ein Raunen ging durch die Umstehenden. Juanito schien aufrichtig enttäuscht zu sein, dass dem kleinen Jungen keine standrechtliche Erschießung angedroht wurde. Auch ein paar Piraten mehr schienen eine durchaus härtere Strafe erwartet zu haben. Und andere murrten vielleicht auch, weil sie es für eine zu harte Strafe hielten, die Gesundheit und sogar das Leben des Jungen durch das Kielholen zu gefährden. Doch niemand wagte es auch nur, seinem Widerspruch laut Luft zu machen.
"Hast du dem noch etwas hinzuzufügen, Samuel?"
Zum ersten Mal wagte Sammy es, aufzuschauen und dem Captain ins Gesicht zu blicken. Ihr Gesicht war vollkommen ausdruckslos und er erinnerte sich unwillkürlich an den Abend auf Hispaniola, an dem er vor ihr im Sand gekniet und sie um sein Leben gefleht hatte.
Er kniff abermals Lippen und Augen zusammen und schüttelte heftig den Kopf.
Eigentlich war dies der Zeitpunkt, zu dem alle Seemänner noch einmal eine kurze Schweigeminute einlegten, um sich gedanklich von dem Jungen zu verabschieden, doch Juanito schien dies für einen Schiffsjungen nicht angemessen zu halten und ordnete sofort mit lauter Stimme an, dass Fuhr, der Delfin-Gestaltwandler, alles für das Kielholen vorbereitete.
Plötzlich brach ein einigermaßen geordnetes Chaos aus. Ein Großteil der Seemänner eilten an die Reling, um möglichst gute Sicht zu haben, andere kletterten in die Takelage.
In dem Gewühl merkte Sammy, wie jemand ihn am Arm packte und zur Seite zerrte.
"Hier, mein Junge", brummte Noah und drückte ihm eine Flasche Rum in die Hand. "Vielleicht hilft dir das ja, hm? Hier will dich ja niemand umbringen, hm?"
Sammy schluckte und schloss die kleinen Finger um den dicken Bauch der Flasche. Der Schiffskoch nickte ihm aufmunternd zu und kniff kurz beide Augen zusammen. Sammy schluckt abermals, dann zog er rasch den Korken aus dem Flaschenhals und begann in großen Zügen aus der Flasche zu trinken.
Er hatte fast den gesamten Inhalt geleert, als er abermals gepackt und zu Boden geworfen wurde. Juanito entwendete ihm zuerst die Flasche, dann trat er nach ihm und packte ihn noch einmal, um ihn wieder auf die Beine zu ziehen. Sammy war speiübel.
"Du wirst uns unsere kostbaren Vorräte nicht alle machen, du kleine Ratte", knurrte der Quartiermeister und zerrte den Jungen zur Reling. Steuer- sowie Backbord hingen dort mittlerweile dicke Taue, die aus dem Wasser ragten. Fuhr und andere Männer hatten sich an den Tauen platziert. Auf einer Seite hielten sie die dicken Hanfleinen schon in der Hand.
Auf der anderen Seite wurde Sammy von Juanito zu Boden geworfen.
"Fesselt ihn", wies er einige Umstehende an und trat zurück. Doch Captain Dracan war schneller. Sie kniete sich höchstpersönlich neben den Jungen und begann, ihn an Händen und Füßen an das Tau zu fesseln.
Trännen rannen aus Sammys Augen, dennoch blickte er die ganze Zeit seinen Captain an und öffnete schon den Mund, um sich ein letztes Mal bei ihr zu entschuldigen, doch sie gebot ihm zu schweigen und zog die Seile noch fester um seine Handgelenke.
"Wenn du schreist bist du tot", zischte sie ihm nur zu und stand dann auf.
Sammy schloss den Mund wieder, nun noch fester als zuvor.
Mit einem Wink bedeutete der Captain seinen Männern, auch das andere Ende des Taus zu greifen, welches auf der Seite, an der Sammy festgezogen war, viel länger war als auf der anderen.
"Macht euch bereit!"
Auf beiden Seiten wurden die Griffe um die Enden der Taue noch einmal verstärkt. Hier und dort vernahm man ein angespanntes Ausatmen.
"Holt ihn kiel!", rief Captain Dracan und ließ ihren zuvor gehobenen Arm wie ein Fallbeil herabfallen.
Mit einem lauten Ruf begannen die Männer auf der Seite, auf der Sammy nicht gefesselt war, an dem Tau zu ziehen, welches unter dem Rumpf der Verheißung hindurchführte und den Jungen immer weiter auf die Reling zuzog. Als er sie erreicht, wurde er über die Reling gehoben und schließlich in die Tiefe gezogen.
"Los, schneller! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!", brüllte Lhea ihre Männer an und rannte auf die Backbordseite.
Auf der Steuerbordseite verschwand der Junge nun im Wasser. Immer schneller zogen die Männer und schließlich tauchte er prustend und japsend wieder auf der Backbordseite aus dem Waser auf.
"Und zurück!", rief Lhea abermals und liefauf die Steuerbordseite.
Nun tauchte der Schiffsjunge wieder auf der anderen Seite aus dem Wasser auf, wo er keuchte und Wasser spuckte. Er wurde ein Stück weiter über die Wasseroberfläche gezogen, dann begannen wieder die Männer auf der Backbordseite zu ziehen.
Mehrere Male ging das hin und her und jedes Mal spuckte Sammy mehr Wasser. Bis er gar nicht mehr spuckte. Mittlerweile feuerte Juanito die Männer an, während der Captain nur noch stumm an der Steuerbordreling stand und das Treiben beobachtete. Bis-
"Genug!"
Die Männer hielten ein. Stille war eingekehrt.
"Holt ihn aus dem Wasser", fügte Lhea leiser hinzu und man begann vorsichtig, auf der Steuerbordseite Samuel Lamignons Körper aus dem Wasser zu ziehen.
Endlich tauchte sein blonder Haarschopf aus dem Wasser auf, gefolgt von seinem schlaffen Körper. Sein Mund war zum stummen Schrei geöffnet und aus Nase, Mund und Ohren tropfte ihm Wasser.
Wie ein nasser Sack plumpste er auf Deck, als man ihn über die Reling zog. Die Männer traten einige Schritte zurück und blickten in das bleiche Gesicht des Kindes. Manche senkten die Augen. Er hatte seine Pflicht zwar verletzt und die Strafe dafür war milder als angemessen, dennoch war er nur ein kleiner Junge gewesen.
Endlich fasste sich jemand das Herz und trat zu seinem Körper, um sich über ihn zu beugen. Es war Adams, der Geschützmeister. Er kniete sich zu dem Jungen, um seine Händer über seiner Brust zu falten. Und dann-
"Er lebt! Verdammt, der Bengel lebt noch!" Adams packte ihn und drehte ihn auf dem Bauch. Er schloss seine kräftigen Arme um den Oberkörper des Jungen und packte gleichzeitig seinen durchnässten Haarschopf. Unter dem Druck begann der Todgeglaubte zu würgen und spie dann einen Wasserschwall, gefolgt von Erbrochenem aus.
In diesem Moment stürmte Lamignon mit einem Verzweiflungsschrei an Deck, hinter ihm humpelte Squinter mit einem blauen Auge versehen her. Der Kanonier konnte nur noch von Feng gestoppt werden, welcher ihm einen Arm auf den Rücken drehte und ihn in die Knie zwang, wo er weiter zappelte und brüllte. Er als er aufhörte zu fluchen, bemerkte er, dass sein Neffe noch am Leben war und Freundentränen traten ihm in die Augen.
"Aurora, hilf mir!", rief Adams und hob Sammy hoch, um ihn zur Heilerin zu bringen. Juanito wollte ihm in den Weg treten, doch in diesem Moment meldete sich auch der Captain wieder zu Wort, um das allgemeine Chaos zu bändigen.
"Alle gehen zurück an ihre Arbeit. Sofort! Das Meer hat über Sammys Schicksal entschieden und es sollte von uns nicht in Frage gestellt werden. Wir segeln nach Tortuga!"
Die Männer begannen zu jubeln und schwangen sich wieder in die Wanten. Unter dem ganzen Trubel nickte Lhea Adams zu, welcher mit dem halb bewusstlosen Jungen im Arm zu Aurora schritt, um ihn in ihre Obhut zu geben.

Wie auf der Verheißung üblich, war Sammys beinaher Tod schon nach einer mehr oder weniger warmen Mahlzeit aus Noahs Kombüse vergessen. Der einzige Gedanke galt jetzt nur noch Tortuga. Und schon am nähsten Abend sollte das lange Sehnen der Piraten endlich erfüllt werden, als Moe mit einem heiseren Kreischen aus dem Hauptmast die felsige Schildkröteninsel am Horizont ankündigte.
Als die Sonne untergegangen war, ließ die Verheißung im nach Schießpulver, Alkohol und Exkremten stinkenden Hafenbrackwasser Tortugas ihren Anker nieder und alle Männer drängten sich in Richtung der Kapitänskajüte, in der der Quartiermeister und der Captain nun den Lohn auszahlen würden.
Die Verteilung erfolgte wie üblich: Ein Viertel des Goldes wurde für die Wartungsarbeiten am Schiff sowie den Proviantkauf aufbewahrt. Captain und Quartiermeister bekamen zwei Teile der Beute, der Bootsmann anderthalb Teile, der Schiffsjunge einen halben Teil und alle anderen Piraten einen Teil der Beute. Auch wenn Sammy gerade noch nicht in der Lage war, seinen halben Teil entgegen zu nehmen. Doch Lhea bewahrte ihn für ihn auf.
Danach war es allen Piraten, bis auf einer kleinen und überaus mürrischen Bordcrew, freigestellt, an Land zu gehen und sich zu vergnügen, bis man sie wieder einsammelte.

tbc: Karibisches Meer -> Tortuga - Tortuga
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BeitragThema: Re: Karibisches Meer   Karibisches Meer - Seite 4 EmptySa Jun 01, 2013 2:15 am

Tobi
Er hatte sie gerettet. Er, Bill, war es gewesen, der sie gerettet hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er wen gerettet, und dann war es ausgerechnet eine Dame. Aurora hieß sie, glaubte sich Bill zu erinnern. Ja genau, Aurora war ihr Name! Und Aurora, mit der er seit dem Zwischenfall am Strand, auf den er durch Zufall aufmerksam geworden war, weder ein Wort noch ein Blick gewechselt hatte, schien für die Mannschaft sehr wichtig zu sein, denn der Captain hatte ihr eine eigene Kabine gegeben. Anscheinend gehörte sie zur Crew, obwohl sie eigentlich nicht den Anschein machte, nervlich einen Piratenangriff überleben zu können. Wobei er wusste, dass der erste Schein eben doch oft trügerisch war. Gerade vor Piraten durfte man nicht überschätzt werden, deswegen hatte Bill sich schon früh den Tarnmantel oder Maske des schwächlichen und kränklichen – vielleicht auch ein bisschen wahnsinnigen – Piraten angelegt, der er versuchte, nicht zu sein. Wie auch immer, er hatte sie gerettet und als Dank, dass er die Mannschaft vor dem Verlust der Krankenschwester bewahrte, war, dass er die ehrenvolle Aufgabe bekommen hatte, das Schiff von Algen zu befreien. Welch intellektuelle Aufgabe! Sicher, es war eine wichtige Arbeit und er half gerne mit, aber ein bisschen Aufmerksamkeit oder Dankbarkeit hätte er doch gerne bekommen, wenigstens die Anzeichen davon gespürt.
Bill kratzte sich am Kopf. Er war froh, diesen Vorort der Hölle, dieses elende Grün, das so grün war, dass die Augen es nur noch schmerzvoll in einem flimmern wahrnahmen, diese Insekten mit riesigen Kneifzangen, die einzig und allein dafür existierten, um sich von seinem Blut und von seiner Körperwärme zu ernähren, endlich verlassen zu können. Und er war froh, endlich wieder Planken unter seinen Füßen zu spüren. Endlich. Nicht nur wurde er von seinem eigenen Captain, dem er vertraut hatte, an Land ausgesetzt, ohne dass er ihm Wasser und Nahrung hinterließ, nein, ihm wurde nicht nur das angetan, er musste auch noch im Delirium gegen kreischende Vögel und Bastionen von Bill-essenden Viechern kämpfen, und daran wäre er fast gestorben, und als ob das nicht schon genug gewesen war, rettete er auch noch diese Dame. Selbst in dem Zustand völligen Wassermangels, so ausgetrocknet wie die Brunnen in der Oase in der Wüste, so trocken wie die Steppe, deren Bewohner das Wort „Wasser“ nur aus fernen Träumen kannten, war er noch in der Lage gewesen die Situation zu überblicken und zügig die richtige Entscheidung zu treffen. Selbst dann war es für ihn noch ein Leichtes gewesen.
Statt aber zu bemerken, dass selbst Piraten ab und zu eine Pause und ein wenig Aufmerksamkeit brauchten, wurde ihm nun als Dank diese Aufgabe zuteil, diese schrecklich grünen Algen - seit er am Strand wie ein Heiliger erwacht war, schien irgendwie alles grün zu sein – die sich anscheinend das Lebensziel gesteckt hatten, die Verheißung allein schon durch ihr Vorhandensein vernichten zu wollen, zu entfernen. Er hatte wahrscheinlich genau die richtigen Qualifikationen dafür. Hätte er das doch schon früher gewusst, wie sehr ihm das Entfernen von Algen liegt, dann hätte er das hauptberuflich machen können! Bill musste grinsen bei dem Gedanken. Er stellte sich vor, wie seine Eltern wohl reagiert hätten, wenn er ihnen gesagt hätte, dass er sich in seiner Zukunft mit dem Bekämpfen von Algen zu beschäftigen gedachte. Sie hätten ihn sicher kurzerhand rausgeschmissen. Immerhin ließ sich mit solcherlei Gedanken die allgegenwärtige Situation leichter ertragen.
Scheinbar durfte man sich in dieser Crew keine Pause erlauben, sonst wäre er zu einem Opfer der Machthabenden geworden, und einer von denen war dieser Juanito. Bill hatte nur kurz auf dem Deck gestanden – nur um für einen Moment Luft zu holen – schon wurde er zu seinem jetzigen Algendienst gerufen, wo man ihm sagte, es sei besser für ihn, wenn er nicht tatenlos herumstehe. Und Juanito war dieser Mann, der anscheinend nach genau solchen Symptomen menschlicher Schwäche suchte, um diese dann, auf welcher Art auch immer, aber bestimmt schmerzvoll, auszumerzen. Juanito wirkte mit seinem gewaltigen Hut nicht besser als diese éspanischen Edelmänner, die Bill, wenn er ehrlich war, nicht sonderlich ausstehen konnte in ihrer Überheblichkeit und in ihrer Einstellung und Wissen, dass sie sprachlich, kulturell und ganz allgemein natürlich weiter entwickelt waren als die unteren Gesellschaftsschichten. Mit einem Blick, der genau diese Einstellung signalisierte, bedachte ihn Juanito nicht nur eben, sondern auch schon früher. Bill fragte sich, ob das so Gang und Gebe sei auf der Verheißung. Auf der Salamander hatte es Machtspiele solcher Art nicht gegeben – jedenfalls hatte er nichts davon mitbekommen – aber hier schien das ganz offensichtlich. Nicht nur bei ihm zeigte Juanito, wer der Herr im Hause war, sondern auch bei anderen, sicher älteren Mitgliedern der Crew. Auf eine solche Art konnte das doch nicht lange funktionieren? Auf die Dauer konnte auf diese Weise doch niemals eine funktionierende Gemeinschaft entstehen? Woher nahm sich dieser Juanito das Recht, ihn und die anderen so zu behandeln? Und wie hatte er sich so verdient gemacht, dass er fast völlige Freiheiten besaß? Wenn die Mannschaft ihn, Bill, – aus welchem Grund auch immer- zum Captain gewählt hätten, wäre die erste Person, die er auf sein Verhalten angesprochen hätte, Juanito, und wenn dieser nichts geändert hätte, wäre es die erste Person gewesen, die er gekündigt hätte, aber bedauerlicherweise fand diese Wahl nur in seinen Gedanken statt. Was auch nicht anders zu erwarten war.
Die Alge gerade war besonders hartnäckig, sie schien völlig mit dem Schiff verbunden zu sein. Bill musste sie durch lautes Gebrüll, das dem eines Löwen glich und in dem sich all sein Frust wiederfand, von den Planken reißen, wodurch er seinen Gedankenweg verließ, denn er konnte nicht laute Geräusche machen und gleichzeitig denken. Die Sonne arbeitete mit voller Kraft, die Hitze war nur durch die leichte Brise ertragbar, die es hier so häufig gab, wenn es denn nicht gerade stürmte.
Die Verheißung, deren Planken wie bei einem Erdbeben erzitterten, wurde in dem Moment von dem Walmann, der einerseits ein Wal - und andererseits ein Mann sein konnte, zurück auf die offene See gedrückt. Ein Walmann, ein sich wandelndes Geschöpf, gab es also auch noch auf diesem Schiff. Vielleicht machte das die Erfolgsgeschichte der Verheißung und ihrer Crew aus, dass jeder eine Chance bekam, und das deshalb das Spektrum charakterlicher Eigenschaften auf diesem Schiff so groß war, dass man damit jeder möglicher Krise und jedem möglichen Angriff mit ganzer Ruhe ins Auge blicken konnte? Hier gab es einen weiblichen Captain, ein weibliches Crewmitglied mit eigener Kabine, Gestaltenwandler und seltsame andere Charaktere. Und vielleicht hatte Juanito auch so ein spezielles Talent, er würde sich sicher in eine Mücke verwandeln können, nein, er würde sich in Myriaden von Mücken verwandeln können, und sämtliche Gegner durch Blutverlust niederstrecken. Und wenn Juanito sich verwandeln würde, stünde Bill gerade zufällig in der Nähe und würde ihn zerquetschen. Nein, das würde er nicht tun. Da war er gerade mal für ein paar Tage bei einer anderen Crew, schon dachte er daran, einen der Machthabenden umzubringen. Er urteilte sicher zu schnell über die Piraten, die er im Grunde gar nicht kannte. Vielleicht zeigte Juanito nur seine harte Schale, während er das Weiche zu kaschieren versuchte. Es gab viele Piraten, die keinerlei Schwäche zeigen konnten, um persönlich nicht angreifbar zu sein, und Juanito konnte einer von denen sein. Bill würde erst einmal abwarten und schauen, wer sich auf welche Weise zeigte. Und er würde gegebenenfalls seine vorschnellen Einschätzungen noch einmal überarbeiten.
Bill fragte sich, indem er eine weitere Alge, nun schon etwas gekonnter, von den Planken riss, welche Rolle er selbst hier nun spielte. Was hatten sie mit ihm vor? Im Grunde war er einer von ihnen, ein Pirat mit Leib und Seele. Es wäre sicher sinnvoll, einmal mit dem Captain zu reden. Das wichtigste war es jedoch, den Grafen noch zu erreichen, dass musste ihm unbedingt gelingen. Er würde nachts auf die Salamander gelangen, auf die Art und Weise, auf die er auch die Schiffe enterte, als er noch für den Grafen gearbeitet hatte. Niemand, wirklich niemand würde etwas merken. Er würde nur kurze Zeit an Bord sein, dennoch unermesslichen Schaden anrichten wie es ein Vulkanausbruch oder ein Gewitter tut. Das war nicht Bills Art, denn zwischen Piraten gab es eine Art Ehrenkodex, der von dem Grafen in dem Moment missachtet worden war, als er Bill an Land bringen ließ, in der Hoffnung, dass dieser nie wieder auftauchen würde. Der Graf hatte ihn leider – wie viele andere es auch taten – was den Überlebenswunsch betraf, unterschätzt, und das war ein Fehler der sich rächen würde.
Auf dem Schiff herrschte jetzt ein geschäftiges Treiben, jeder hatte seine Aufgabe und alles wuselte umher wie in einer Ameisenkolonie. Es herrschte Aufbruchsstimmung, und die meisten schienen froh zu sein, dieses Stück Land verlassen zu können. Seine Mitstreiter im Kampf gegen die Übermacht der Algen – bei der selbst die antiken Helden aus Griace mutlos den Kopf hätten sinken lassen – hießen Squinter und Lamignon, harmlose Gestalten. Sie plapperten ununterbrochen, so wie seine Mutter damals, als sie noch nicht dahingeschieden war, und Bill hörte sich geduldig ihre Geschichten an. Erfuhr, dass die Beiden schon oft in einer schier aussichtslosen Schlacht durch heldenhafte Taten in letzter Sekunde diese gewendet hatten, wie sie im Alleingang dieses oder jenes Seeungeheuer niedergestreckt hatten, wobei jeder der zwei besser und mutiger gehandelt haben wollte als der jeweils andere.
Ob es in diesem Moment war, oder schon früher – das konnte Bill später nicht mehr rekonstruieren – bereitete sich in ihm eine Idee aus wie die Wellen in einem See, nachdem man einen Stein in ihn geworfen hatte. Die Stimmen von Lamignon und Squinter verschwanden in den Hintergrund, waren nur noch schemenhaft zu hören. Bill würde das Schiff vorzeitig verlassen! Er würde es verlassen, zumindest vorrübergehend, um einerseits schneller in Tortuga zu sein und um andererseits nicht von Captain Dracan in seiner Mission gestört zu werden – die wer weiß was mit ihm vorhatte. So hätte er noch eine Chance, rechtzeitig den Grafen zu erwischen, denn es würde schwer werden, wenn die Salamander bereits auf Kurs gen Osten wäre. Er würde nachts aufbrechen, so unauffällig sein wie der Anfang einer schweren Krankheit. Er würde einfach verschwinden. Als wäre er nie da gewesen. Vorher müsste er noch auf eine Karte gucken, um zu wissen, welche Position sie gerade hatten. Und er müsste essen, bevor er aufbrechen würde.
Anscheinend hatte Bill in den Momenten, in denen er sich dieser Idee hingab, völlig in der Arbeit innegehalten, und sofort wurde er von Lamignon oder Squinter, Bill hatte einfach ein zu schlechtes Gedächtnis (vielleicht lag es ja auch an der Sonne), in die Realität zurückgerufen. „Verdammt, du sollst beschäftig wirken.“, zischte einer von ihnen Bill zu. Und leiser zu seinem Kumpanen: „der Gute hat wohl zu viel in der Sonne gelegen, vielleicht ist’s auch der Rum, von allem verträgt der bestimmt nicht viel, sach ich!“
Wenn Bill von seiner Mission zurückkäme, würde er Lamignon und Squinter schon zeigen, wer hier wie viel verträgt. Doch bis dahin würde das noch ein langer Weg werden.
Die Verheißung schaukelte nun im großen Ozean, ein Spielball der Mächte der Natur. Die Mitglieder der Crew, die sich nur durch die Länge von ihren Schatten unterschieden, riefen sich irgendwelche Mitteilungen und Befehle zu, die Bill nicht verstand und die von dem Wind auf den Ozean hinaus geblasen wurden. Die Sonne stand nun fast senkrecht über ihnen.
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BeitragThema: Re: Karibisches Meer   Karibisches Meer - Seite 4 EmptySa Jun 01, 2013 2:15 am

Steffie

Aurora hatte zum ersten Mal die ihr zugeteilte Kajüte betreten. Ihr eigenes kleines Zuhause in den nächsten Tagen, Wochen, ja vielleicht sogar Monaten. Mit erleichtertem Nicken stellte sie fest, dass es keine Hängematte sondern ein richtiges Bett war, welches ihr demnächst als Schlafstatt dienen sollte. Doch richtig zufrieden war sie nicht. Portuguese schien wenig begeistert, sich nun eine Kajüte mit dem Quartiermeister zu teilen und sicherlich hielt er nun noch weniger von ihr. Wenn das so war, konnte sie ihm das kaum verübeln. Sie kannte Portuguese kaum und wusste nicht, was er von ihr hielt. Doch auf der anderen Seite war es nicht Aurora, die um die Kajüte gebeten hatte sondern der Captain war es, von dem dieser Befehl stammte.

So öffnete sie die Truhe und knarrenden Türen der Schränke und überlegte, wo sie am Besten was unterbringen konnte. Während sie sich einmal um ihre eigene Achse drehte, fiel ihr Blick in den schon fast blinden Spiegel. Doch so alt dieser auch war, er reichte aus, ihr die traurige Wahrheit zu zeigen. Ein abgemagertes, dreckiges Ding mit verfilzten Haaren starrte ihr entgegen, das in einem zerfetzten Kleid hoffnungslos herum stand, welches ebenso schmutzig war, wie der ganze Rest des Körpers. Aurora wandte sich ab und fasste einen Entschluss. Sie trat nach draußen und beäugte die arbeitenden Männer, welche schwere Kisten und Säcke an Bord hievten und sortierten. Sobald sie etwas entdeckte, was nach Medikamten, Salben und Verbandszeug aussah, trat sie vor und ließ diese zur Seite stellen. Währenddessen sahen sich ihre trüben Augen immer wieder auf dem Schiff um. Captain Dracan war die einzige Frau in dieser Crew. Sicher hätte sie vernünftige Kleidung in ihrer Größe und eine Haarbürste. Da sie den Captain aber nirgends sichtete, was kein Wunder war bei dem Gewusel, hielt sie selbst Ausschau, ob bei der Beute vielleicht nebenbei brauchbare Sachen für sie persönlich dabei waren. Und tatsächlich. Während sie einen der Säcke öffnete, um diesen nach seinem Inhalt zu prüfen, purzelte ihr doch in der Tat eine hölzerne Bürste entgegen. Ohne lange zu zögern, griff sie nach dem espanischen Beutestück und steckte es sich in den Gürtel ihres Kleides. Darauf hin machte sie sich daran, eine schwere Kiste, bis zum Rand gefüllt mit Tiegeln und Verbandsmaterial, mühselig in Richtung ihrer neuen Unterkunft zu schieben, was sie allerdings nur schwerlich voran brachte.

Ihr fast aussichtsloses Unterfangen führte sie an dem Teil der Crew vorbei, dem die weitaus unangenehmeren Arbeiten zuteil geworden waren und erkannte unter ihnen den Mann aus dem Wald, der sich schlussendlich doch nicht als ihr Feind entpuppt hatte. Für einen Moment überlegte sie, dann fiel ihr sein Name wieder ein und sie ging hinunter auf die Knie, um ihm eine Hand hin zu strecken. "Danke ... Bill", waren die einzigen Worte, die sie heraus brachte.
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BeitragThema: Re: Karibisches Meer   Karibisches Meer - Seite 4 EmptySa Jun 01, 2013 2:15 am

Tobi
Das ganze kam so überraschend, dass ihm erst mal die Bürste aus der Hand fiel. Ausgerechnet jetzt musste das passieren! Mit einer Körperbewegung, die ausdrücken sollte, dass all das geplant gewesen war – selbstverständlich war das geplant -, wandte er sich der Stimme zu, die von Aurora stammte. Bill musste in Gedanken das Gesagte noch einmal wiederholen, um den Sinngehalt zu realisieren. Sie…sie bedankte sich bei ihm! „Keine Ursache, es war mir eine Freude“, oder „das Vergnügen lag ganz auf meiner Seite“, hätte Bill gerne gesagt, aber stattdessen bekam er nur ein stottern heraus, das nicht einmal der beste Philosoph hätte interpretieren können. Im Grunde war es wie immer. Als Pirat war Bill nach eigener Ansicht relativ talentiert, wenn es aber zu einem Menschenkontakt kam - vor allem zu dem weiblichen Geschlecht - trennte sich scheinbar die Verbindung zwischen Hirn und Stimmbändern, und so verließen in solchen Momenten so gut wie nie geistreiche Bemerkungen seinen Mund. So wie in diesem Moment gerade. Vielleicht hätte er besser schweigen sollen. Schneller als er konnte bestimmt kein anderer einen schlechten Eindruck von sich machen. Nachdem Bill kurz an etwas Anderes dachte – der Fischgeruch in seiner Heimatstadt, oder der Grund für die Entstehung von Ebbe und Flut -, blickte er wieder zu Aurora und lächelte sie an. Ganz langsam und leise sagte er – es hörte sich fast auswendig gelernt an – „du musst dich nicht bedanken.“ Und um die Aussage zu unterstreichen, nickte er leicht. Und hoffte, das würde sein Gesicht noch ein wenig retten. Auf der Île de la Tortue, der Schildkröteninsel, von den Éspaniern auch Tortuga genannt, begann zur Mittagszeit bereits der Ausschank. Die unterschiedlichsten Gestalten waren zu sehen, zerrissene Kleidung zeugte von Obdachlosigkeit, bessergekleidete zeigten, dass sie Erfolg hatten – auf welche Art und Weise sie das auch bewerkstelligten. Die einen waren schon betrunken, andere wachten gerade erst auf. Musik war zuhören, die, wenn man sie einmal erlebt hatte, so abwechslungslos war wie die Vegetation in der Wüste. Es wurden Schiffe beladen, neue Crewmitglieder angeheuert, von Erlebnissen erzählt, die sich auf den sieben Weltmeeren zugetragen hatten. Es herrschte eine Geräuschkulisse, die man nur hier vorfand, das galt auch für die Gerüche. Etwas abseits im Hafen ankerte seit wenigen Tagen die Salamander. Sie war bereits für die lange Reise gen Osten gerüstet, die Vorräte aufgefüllt, alle nötigen Reparaturen ausgeführt. Die Salamander war abfahrbereit. Der Captain war zu dieser Zeit nicht an Bord, im Gegenteil, er hatte das Schiff vor einiger Zeit verlassen. Zwar musste man, wenn man abseits ankerte, weiter rudern um das Land zu erreichen, jedoch war das ein Preis, den der Graf gerne zu zahlen bereit war. Nur keine unnötige Aufmerksamkeit erregen.
Im Moment konnte man den Grafen etwas außerhalb des Hafenviertels sehen, zielsicher schritt er, ohne dass ihn jemand bemerkte. Der Graf wusste, dass er kein großer Piratenkapitän war, zumindest diesen Anschein machte. Er hatte nie irgendeine wichtige Schlacht geführt oder den großen Schatz von diesem oder jenen berüchtigten Seebären gefunden. Dementsprechend wurde er nicht groß beachtet, er hatte nie viel zu erzählen gehabt, wenn er auf Tortuga war. John J.J. Rogers, den man nur den „Grafen“ nannte, hatte für Tortuga nie viel übrig gehabt. Ein falsches Wort über die großartige Ladung, schon wurde man von Neidern verfolgt, die teilweise sogar mit Gewalt die fremden Schiffe hier im Hafen überfielen, um an deren Ladung heranzukommen. Deshalb hatte die Salamander nie etwas Wertvolles an Bord, und auch die Crew sollte sich hier nicht betrinken, denn dann könnte sie etwas ausplaudern, was besser ein Geheimnis geblieben wäre. Tortuga war ein gefährlicher Ort, selbst für Piraten.
Der Graf war in Eile, noch diese Nacht würde er und die Salamander aus diesem Hafen verschwinden und sich auf den Weg nach Aeropia machen. Sie waren schon länger als geplant hier auf Tortuga gewesen, die Zeit drängte. Heute Abend würde er der Crew erzählen, was genau sie an Bord hatten und warum die Zeit so drängte. Er würde ihnen die ganze Geschichte erzählen, und vor allem auf William Vane eingehen. Der Graf hatte es der Crew zwar schon erklärt, verschweigen hatte er jedoch, welchen Fund Bill gemacht hatte. Und was Bill damit vorhatte. Ganz oben auf der Nicht-leiden-können-Liste des Grafen stand das, was Bill vorgehabt hatte. Bill wollte seinen Fund für sich beh alten, es der Allgemeinheit stehlen, ihn, den Grafen, der sich schon lange um Bill gekümmert hatte, hintergehen. Er wollte sich aus dem Staub machen, wenn es die Situation zugelassen hätte. Der Graf hatte Bill sehr gerne gehabt, seine Sympathie hörte allerdings dort auf, wo Bill hinter seinem Rücken handelte. Auf seinem Schiff galten Regeln, an die sich der erste Offizier wie der Schiffsjunge halten mussten. Und wenn etwas auf seinem Schiff erbeutet wurde, stand es der ganzen Crew zur Verfügung, am Ende einer Fahrt wurde alles geteilt. Bill hatte sich nicht an diese Regel gehalten, und dem Grafen blieb nichts anderes übrig als so zu handeln, wie es wohl auch jeder andere Captain getan hätte: er setzte ihn an Land aus.
Der Graf wusste, dass er einen seiner besten Männer verloren hatte, und das schmerzte ihn. Andererseits war es auch oberste Pflicht, sich an die Regeln zu halten. Und wenn der Captain eines Schiffes nicht für das Einhalten dieser sorgte, wer sollte es dann tun?
In einem hinteren Winkel seines Gehirns wusste John J.J. Rogers, dass Bill überleben würde. Solange Bill aber irgendwo voller Hunger und Durst am Strand lag, war es dem Grafen gleich. Dann würde er keine Gefahr sein. Wenn Bill aber zu Kräften kommen würde, wäre sein erster Wunsch der der Rache. Verständlich. Aus diesem Grund hatte der Captain ein letztes Mal das Schiff verlassen. Er suchte eine bestimmte Person. Die Straßen abseits des Zentrums waren etwas ruhiger, der Geruch erträglicher. Zielstrebig schritt der Graf auf ein unscheinbares Haus zu, das war es! Der Wind fegte John J.J. Rogers durch sein graues Haar, als er an der Tür klopfte. Er würde einige Stunden in diesem Haus bleiben und es erst am Abend verlassen. Als die Tür des Hauses abrupt geöffnet wurde, lächelte der Graf.

In dem Ozean westlich von Hispaniola bildete sich zu dieser Zeit ein Unwetter, das rasch größer wurde. Durch das Ineinandergreifen verschiedener Kräfte bewegte es sich auf Hispaniola zu, wird diese Insel jedoch nicht erreichen und nach Norden abdriften. Die Ausläufer werden an diesem Abend Tortuga erreichen, der Wind wird die Wolken vor sich her peitschen. Es wird dort keinen großen Regen geben, ein paar Tropfen nur, dafür einen starken Wind, fast schon ein Sturm. Der Graf wird seinen Mantel zu ziehen und gebeugter Haltung schnellen Schritts zur Salamander zurückkehren. Er wird von einer weiteren Gestalt begleitet sein, die aber kaum zu erkennen ist, da sie ebenfalls einen Mantel tragen wird. Zusammen werden sie sich von einem Crewmitglied zur Salamander fahren lassen und dort abwarten, bis sich der Sturm gelegt haben wird. Das alles wird geschehen.
Noch war es jedoch mittag.

Bill wusste nicht, ob er noch etwas hinzufügen sollte. Würde er nichts weiter sagen, bliebe er ihr bestimmt nicht im Gedächtnis. Aber er wusste auch nicht, was er noch Geistreiches von sich geben konnte. Aurora sah schrecklich aus, sie schien abgemagert zu sein; ihre Haare waren verfilzt, ihre Augen trüb wie Regenwasser. Beizeiten würde Bill gerne ihre Geschichte hören, wie sie an dieses Schiff gekommen war. Und was sie erlebt hatte. Er lächelte ihr nur zu und wandte sich wieder den Algen zu.
Lamignon und Squinter hatten anscheinend Bills seltsames Verhalten gegenüber Aurora bemerkt, denn alsdann erzählten sie ihm von ihren Erlebnissen mit dem weiblichen Geschlecht, Ort des Geschehens war meistens Tortuga, wie es Bill mit halbem Ohr mitbekam. Ab und zu nickte Bill und machte Geräusche des Zustimmens, er erfuhr, dass er die eine oder andere Spelunke auf jeden Fall mal besuchen solle, wenn er es mal nach Tortuga schaffe, dort gebe es guten Alkohol und noch bessere Weiber, und in welche Spelunke er besser keinen Blick werfen solle. Nach Tortuga würde Bill es schaffen, und zwar heute Abend noch. Er hoffte, dass der Graf noch da sein würde. Bill schnappte sich die heruntergefallene Bürste und begann mit solch sicheren Bewegungen weiter die Algen zu bearbeiten, als ob er seit seiner Geburt nichts anderes getan hätte.
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BeitragThema: Re: Karibisches Meer   Karibisches Meer - Seite 4 EmptySa Jun 01, 2013 2:15 am

Steffie
Er war in der Tat ein merkwürdiger Kauz. Mit ihm zu reden fiel ihr schwer und machte, wie es Aurora schien, mindestens genau so wenig Sinn, als wenn sie sich auf eine Unterhaltung mit Moe, dem Papagei von Moses, der in diesem Moment vom Ausguck aus irgendetwas vor sich hin krächzte, einzlassen. Auroras Blick glitt hinauf und für einen kurzen Moment überlegte sie, auch den Mast zu erklimmen und die Aussicht zu genießen. Dies würde ihr sicher das Gefühl der Freiheit vermitteln, welches sie schon lange nicht mehr verspürt hatte. Doch die großen Töne, welche soeben Juanito von sich gab, brachten sie schnell wieder ins Hier und Jetzt und Aurora, welche immer noch am Boden kniete, stand auf, nickte Bill, begleitet von einem Lächeln, zu und stemmte sich sogleich wieder mit aller Kraft gegen die schwere Truhe. Für die zierliche Figur war dies sicher ein schwieriges Unterfangen doch sie wollte das Ungetüm schnellstmöglich in ihrer Kajüte wissen, denn die Piraten hievten bereits eine weitere Ladung mit Dingen, welche sich bestimmt auch für sie als nützlich erwiesen, um ihrer Pflicht als Heilerin nachgehen zu können, an Bord. Schwitzend und keuchend war es ihr schlussendlich gelungen, die Kiste zu ihrer Unterkunft zu befördern. Ein geeigneter Platz dafür würde sich später noch finden, also schloss sie lediglich die Holztür und machte sich wieder auf den Weg, um die nächste Ladung zu durchsuchen.

Die ersten Sonnenstrahlen krochen am Horizont hervor, als Aurora ihren Blick über das Deck schweifen ließ. Hier schrubbten die einen das Deck, dort stützten die anderen die letzten Verwundeten. Jeder schien seine Aufgabe zu befolgen. So manch einer der Piraten beäugte die junge Frau mit kritischem Blick. Nicht jeder schien erfreut über ihre Anwesenheit. Sicherlich hätten sie sie lieber auf dem Sklavenmarkt gesehen. Langsam trat sie an die Rehling, lehnte sich dagegen und sah in der Ferne den Strand, der ihnen zwei Wochen lang ein Zuhause geboten hatte. Hinter ihr erklangen Stimmen und sie drehte sich um. Nun mit dem Rücken an die Bordwand gelehnt, schweiften ihre Blicke abermals über Deck und blieben an einer Person hängen. Viel zu lange sah sie ihn an und ohne dass sie es selber bemerkte, zierte ein verträumtes Lächeln ihre Lippen. Adams ... ihr Blick verschleierte sich und es vermochte wohl niemand zu sagen, was in diesem Moment in der jungen Frau vor sich ging, als sie einen Schritt vor trat und ... Da war es auch schon passiert. Ein lautes Poltern ertönte, als ein muskulöser Körper hart gegen sie prallte und eine Ladung Waffen - zum Glück gesichert - sich geräuschvoll auf den Planken verteilte. Wenig freundlich ermahnte er sie, nicht im Weg herum zu stehen und ihm gefälligst beim Aufheben behilflich zu sein! Verwirrt stammelte Aurora so etwas wie eine Entschuldigung und kniete nieder, um die Waffen und Patronen aufzusammeln, die sich an Deck verteilt hatten. Hier und da erklang belustigtes Gelächter und doch auch weniger begeisterte Äußerungen traten an ihr Ohr. "Wir hätten sie mit den anderen verschachern sollen", meinte Einer. Wer dies war, konnte Aurora nicht heraus hören.
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BeitragThema: Re: Karibisches Meer   Karibisches Meer - Seite 4 EmptySa Jun 01, 2013 2:16 am

Tobi
Es war Abend, als der Wind auffrischte. Die Sonne hatte ihren Ausguck am höchsten Platz des Himmelszeltes verlassen und sich schleichend der Erdoberfläche genährt. Der Ozean unter der Sonne hatte in einem breiten Band geglitzert, als ob er genau dort aus Kristallen bestände. Die Luft war immer stickiger geworden, das Wetter schien umzuschlagen. Schließlich verdeckten Wolkenberge, die im Westen aufgezogen waren die Sonne. Und jetzt, als die Dunkelheit einsetzte, begann es windiger zu werden. Bill hatte seine Arbeit mit Lamignon und Squinter beendet – er hatte die Aufgabe gut gemeistert, das musste er sich selbst eingestehen – und anschließend bei allen ausstehenden Arbeiten geholfen. Auch wenn er stets mit einem merkwürdigen Blick abgeschaut wurde, hatte er sein Bestes getan. Ab der Mittagszeit wurden die störenden Gedanken abgeschaltet und all die Energie auf das gelenkt, was jetzt vor ihm lag. Bill wusste, dass es hart werden würde. Diese Nacht würde Veränderungen mit sich bringen. Wenn wenigstens die Salamander noch im Hafen von Tortuga läge, wäre das immerhin schon ein Teilerfolg. Dann wäre das das Ende für den Grafen.
Mit der eintretenden Dunkelheit schien es, als ob es niemals Licht gegeben hätte. Alles versteckte sich hinter Silhouetten, das Farbspektrum der sichtbaren Welt verkleinerte sich auf Schwarz und Grau. Zu dieser Zeit verließ Bill das hintere Deck der Verheißung und schritt ins Innere des Schiffs, in der Hoffnung, die Kombüse zu finden. Die Verheißung schwankte in den größer werdenden Wellen. Das Holz knarrte und ächzte. Als Bill vor Jahren das erste Mal auf einem vergleichbaren Segler gewesen war, hatten ihm diese Geräusche Angst gemacht. Das hatte er natürlich niemals zugegeben. Jetzt hatte er sich an diese Geräusche gewöhnt, sie gehörten zum Piratendasein dazu wie der Geruch des Meeres oder der Konsum von Rum. Bill merkte, dass er die Kombüse auf Anhieb nicht fand. Er stand unschlüssig im Bauche der Verheißung und realisierte rasch, dass wenn man ihn hier so herumstehend fand, ihn für irgendeine Arbeit einteilen würde, die sonst keiner tun wollte. Juanito empfand das Stehen eines Piraten in einem fremden Schiff sicher als ein so schweres Delikt, dass der Schuldige bestimmt nur durch den Strick seine Schuld hätte beseitigen können. Juanito würde sich sicher an solch einer Strafe an ihm ergötzen. Er fand die Kombüse einfach nicht, was war nur mit ihm los? Er musste unbedingt etwas essen. Wohin sollte das nur führen? Bill zuckte zusammen, als er plötzlich Schritte hinter sich vernahm. Das Geräusch verstummte hinter ihm. Langsam drehte Bill sich um.
Als wäre es abgesprochen gewesen erklang genau in diesem Moment ein ferner Donnerschlag eines Gewitters. Dieser Donner wurde von Bill aber nicht wahrgenommen. Das wird mein Ende sein, schoss es ihm durch den Kopf, als er sich in dem schmalen Gang wendete. Es war weder der Captain noch Juanito. So ein Glück. Aber wer war es dann? Bill blinzelte und suchte fieberhaft nach einem Namen für das Gesicht, das vor ihm erschienen war und einen müden, aber eher harmlosen Eindruck machte. Was würde sein Gegenüber nur davon denken, wenn er genau in diesem Augenblick nach Essen fragt, wenn es draußen ungemütlich wird? Er hatte den ganzen Tag mitgearbeitet und gezeigt, dass er mit einem solchen Schiff umzugehen verstand. Bis auf die Arbeit mit den Algen, dass hatte er auf der Salamder nie erledigen müssen. Sein Arbeitseinsatz würde hoffentlich eine kurze Pause rechtfertigen. Bill räusperte sich. „Oh, ähh, ja, ich ähh bin Bill, der…“. Ja wer war er eigentlich? Er war in dieser Crew dazugekommen. War er ein ungebetener Gast? Wollten sie ihn auch hier loswerden? Wurde er nur geduldet? „Ich suche die Kombüse, hab‘ echt ‘nen Bärenhunger. Bin sofort wieder auf’em Deck.“
Sein Gegenüber runzelte die Stirn. Dann bedeutete er Bill mit den Händen, ihm zu folgen. „So, da sind wa.“, gab er hastig von sich und öffnete eine Tür. „Bring nichts durcheinander und mach schnell, wir brauchen bei dem Wetterchen jeden, ähh, Mann“. Er grinste und war schon wieder verschwunden.

Weil es nur selten gemeinsame Esszeiten gab, schien es normal zu sein, dass jeder sein Essen zu sich nahm, wenn es die Situation zuließ.
Bevor Bill mit dem Essen anfing, schrieb er etwas auf einen Zettel, den er in der Kombüse deponierte. Einige Minuten später verließ er die Kombüse und beeilte sich, wieder an Deck zu gelangen. Es sollte bloß keiner misstrauisch werden. An Deck hatte der Wind zugenommen. Die Segel knallten im Wind. Die Gischt war gerade noch zu erkennen.
Auch wenn dies nur die Ausläufer eines Tiefs waren, das sehr viel weiter nördlich, auch noch nördlicher als Tortuga seine volle Macht demonstrierte, waren die Auswirkungen hier ebenfalls sehr deutlich zu spüren. Mit einer ungewöhnlichen Geschwindigkeit hatte sich das Wetter verschlechtert. In solch einer Situation sollten eigentlich die Segel gestrichen werden. Das Risiko für die Segel war viel zu groß, außerdem bot man so dem Sturm eine viel zu große Angriffsfläche. Und wenn das Wetter vorhatte, noch schlechter zu werden, wurde das Risiko, die Masten zu besteigen, immer größer. Wer weiß, wo das hinführen konnte. Eine Böe hätte da schon großen Schaden anrichten können. Sollte Bill sich ohne zu fragen an die Arbeit machen? Oder warten, bis ihn jemand dazu befehligte?
Am Horizont waren Lichtblitze zu sehen, die den Himmel in der Ferne für einen kurzen Augenblick an erhellten, wie die Zeichen eines weit entfernten Kampfes. Immerhin regnete es nicht.
Nachdem er kurz überlegt hatte, brüllte er einigen Gestalten zu, die an Deck für einen kurzen Moment ausharrten: „Wir müssen die Segel einholen!“ „Was?“ „Wir müssen die Segel einholen!!“
Eigeninitiative würde sicher bestraft werden, dachte sich Bill. Dennoch machte er sich mit den Männern an die Arbeit, einige der Segel einzuholen. Der Mast schwankte so stark, dass Bill glaubte, er hätte zu viel Rum getrunken. Doch vergaß er dieses Gefühl gleich wieder. Es war nun an der Zeit zu gehen. Seine Mitstreiter hatten den Mast bereist wieder verlassen, ihn schien keiner wahrzunehmen. Bill zog sich einen Beutel aus der Tasche. Als er sich aufgrund des Schwankens des Mastes kurzeitig über der Wasseroberfläche befand, schien es so, als würde Bill ungeschickterweise abrutschen. Ein Beobachter hätte nur etwas Schemenhaftes erkennen können, dass sich mit großer Geschwindigkeit dem Ozean nährte. Bill schrie nicht. Er gab keine Geräusche von sich. Viele waren an Deck waren zu beschäftigt, um Bills Ungeschicktheit zu bemerken. Als wäre nichts passiert kämpfte sich die Verheißung weiter ihren Weg nach Tortuga durch das aufgewühlte Meer.


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BeitragThema: Re: Karibisches Meer   Karibisches Meer - Seite 4 EmptySa Jun 01, 2013 2:16 am

Steffie
Das Gebrüll des Captains, der Name William Vanes, weckten Aurora unsanft aus ihrem ohnehin schlechten Schlafes. Zwar stand ihr endlich ein richtiges Bett zur Verfügung aber dennoch wollte der Sturm sie nicht schlafen lassen. So hatte sie sich der lauten Suche des Captains nach diesem Vane sofort aufgerichtet, schlüpfte in eine Hose, welche sie sich zu eigen gemacht hatte, streifte eine etwas zu große Bluse über und lief nach draußen, wo die Arbeiten der Piraten bereits in vollem Gange waren. Natürlich. Schließlich hatten viele die Nacht über ihre Pflichten an Deck erledigt.

Nachdem sich allerdings heraus gestellt hatte, dass der Gesuchte spurlos verschwunden war, machte Aurora ihren üblichen Rundgang, um nach ein paar restlichen Verletzten zu sehen und noch während sie dies tat, trat auch schon der nächste Name auf den Plan: Sammy. Die junge Frau wandte sich um, um zu sehen, was sie plötzlich von dem Jungen wollten. Er hatte doch stets seine Arbeiten ordentlich erledigt, hatte sogar Aurora zwischendurch geholfen, indem er ihr Verband und Medikamente besorgte.

Sie trat neben Noah, der soeben aus an Deck getreten war und schenkte den Worten Dracans volle Aufmerksamkeit. Schweigend stand sie da und fragte sich, was sie wohl mit ihm anstellen mochten. Doch diese Frage sollte ihr schon gleich beantwortet werden. Natürlich war es Juanito, welcher den Jungen mit Freuden zu dem Tau zerrte. Mit offenem Mund starrte sie zu den Piraten hinüber, welche den Jungen an das Tau banden. Aurora verstand nichts von den Gesetzen der Piraten und wusste nicht, ob Sammy dies verdient hatte oder nicht. Aber er war doch noch ein Kind. Gerne hätte sie ihm geholfen; nur zu gerne wäre sie eingeschritten, während sie ihn gnadenlos kielholten und sie die verzweifelten Rufe des Jungen hörte. Doch sie wusste, dass sie es nicht konnte. Die Crew würde ihrem Flehen keine Beachtung schenken und sicher lief sie mit einer solchen Aktion Gefahr, ein ähnliches Schicksal erleiden zu müssen. Doch sie konnte dem schrecklichen Leiden Sammys nicht zu sehen. Nachdem sie also hilfesuchend von einem Crewmitglied zum nächsten blickte und in keinem von ihren Gesichtern auch nur annähernd Mitleid erkannte, wandte sie sich kurzerhand um und verschwand in ihrer Kajüte, wo sie aufgewühlt hin und her schritt und nicht wusste, was sie anstellen sollte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Schreie endlich verstummten. Aurora stand in ihrer Kajüte, die Arme fest um ihren eigenen Körper geschlungen und zitterte vor Aufregung, als sie plötzlich die Stimme des Captains hörte, der anwies, ihn wieder an Deck zu holen. Dann drang ein dumpfes Plumpsen an ihre Ohren.
Draußen war Stille eingekehrt und auch Aurora stand still mit angehaltenem Atem und lauschte. Jemand trat über die Planken und dann erkannte sie Adams' Stimme, welche den anderen erklärte, dass Sammy noch lebe. Nach diesen Worten verließ die junge Frau umgehend die Kajüte und trat schleunigst wieder an Deck, sah den würgenden Jungen in Adams' Armen. Sie lief dem Piraten entgegen, nahm Sammy ihrerseits in die Arme und brachte ihn in ihre Kajüte, wo sie ihn für's Erste auf's Bett legte, um ihn zu versorgen, während draußen bereits alle Vorbereitungen getroffen wurden, um endlich Tortuga zu erreichen.

Tortuga ... Während Sammy in ihrem Bett schlief, trat sie nach draußen, um den näher kommenden Hafen zu beobachten. Es stank fürchterlich nach allem nur erdenklichen Unrat und das Gröhlen von manch besoffenem Piraten drang an ihre Ohren und ließ sie erschaudern. Rechte Lust, dieses dreckige Loch zu betreten, hatte sie nicht. Doch sollte sie alleine unter ein paar griesgrämigen Crewmitgliedern zurück an Bord bleiben? Und vielleicht war Tortuga nur halb so schlimm, wie sie befürchtet hatte.

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